In der Schweiz gibt es über 10 000 Unternehmen, die über ein eigenes Zollkonto verfügen. Diese sind durch die fortschreitende Digitalisierung der Zollverfahren zunehmend gefordert. Allerdings haben bisher nur wenige ihre IT-Systeme entsprechend ertüchtigt und diese als Sprungbrett für Prozessoptimierungen im Tagesgeschäft genutzt.

Papierloser Datenaustausch
Bereits Ende des 20. Jahrhunderts übernahm die Schweiz mit den Systemen Zoll84 und später Zoll90 eine Führungsrolle in der elektronischen Zollabwicklung. 1999 kündigte auch die Weltzollorganisation (WCO) an, weltweit alle Zollabfertigungen elektronisch vornehmen zu wollen. Diese Vision wurde in den letzten Jahren aufgrund der neuen Sicherheitsstandards im Güterverkehr immer konsequenter umgesetzt.

Seit 2007 arbeitet die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) im Rahmen der E-Government-Strategie an der schrittweisen Ablösung aller Papierformulare durch den elektronischen Daten- und Dokumentenaustausch. Auch der 2016 eingeführte neue Zollkodex der EU (UZK) hat unter anderem die flächendeckende und zentralisierte elektronische Zollanmeldung zum Ziel.

Von NCTS über e-dec und UID …
Nach der Einführung der NCTS-Transitverfahren und e-dec Export hat die EZV 2013 das Obligatorium der elektronischen Zollanmeldung festgelegt. Seit Januar 2016 wurde mit der neuen Zollkundenverwaltung (ZKV) dem Zollkunden (Industrie/Handel) die Verantwortung für die Erfassung und Pflege seiner Zollstammdaten übertragen.
Gleichzeitig wurde die Unternehmens-Identifikationsnummer (UID) in der Zollabwicklung verbindlich lanciert. Schrittweise werden elektronische Bewilligungen eingeführt. Für E-Einzel- und E-Generalbewilligungen des SECO gilt bereits ein Obligatorium. Seit Juni 2015 sind auch E-Beanstandungen freiwillig und in Absprache mit den betreffenden Zollstellen möglich.

… zu eVV Import
Der nächste grosse Schritt ist die definitive Ablösung der Veranlagungsverfügung (VV) bei der Importverzollung durch die elektronische Zollquittung (eVV). Das System der EZV steht bereits seit 2012 zur Verfügung. Das Parlament hat in der Wintersession 2016 das weitere Vorgehen festgelegt. Die EZV rechnet mit einem sehr zeitnahen Datum für die verbindliche Ablösung der VV durch die eVV Import. Entsprechend wird sich die Bedeutung und Priorität der Umsetzung für alle Importeure und Verzollungsdienstleister 2017 ganz wesentlich erhöhen. Konkret bedeutet dies, dass sich alle importierenden Unternehmen mit eigenem Zollkonto von Papier- auf digitale Abläufe umstellen müssen.

Vorteile für Staat und Wirtschaft
Aus Sicht des Bundes wird das eVV Import-Obligatorium für die EZV eine starke Entlastung von Versand- und Handling-Kosten bringen. Sie wird so in die Lage versetzt, die vorgegebenen Personal- und Kosteneinsparungen umzusetzen. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb die anstehende eVVPflicht als Teil des «Stabilisierungsprogramms Bund 2017 bis 2019» vom Parlament abgesegnet wurde.

Darüber hinaus bringt eine ganzheitliche Umsetzung des digitalen Datenaustauschs mit dem Zoll auch wesentliche Vorteile für Industrie und Handel. Compliance-Anforderungen im Bereich Zoll und MWST können mit der entsprechenden Software durchgängig sichergestellt werden. Die aufwendige Kontrolle von Papierdokumenten fällt endlich weg. Die eVV und Zollbordereaus können unmittelbar nach der Freigabe der Zollanmeldung durch den Inhaber des Zollkontos (ZAZ) abgerufen, online kontrolliert und mit dem Auftrag abgeglichen werden.

Plausibilitätsprüfungen lassen sich IT-gestützt einfacher durchführen und Fehler bei der Verzollung werden schneller erkannt. Die rechtskonforme Archivierung von Zolldokumenten kann elektronisch erfolgen, was bei Nachfragen einen unkomplizierten Zugriff ermöglicht. Die digitalen Zolldaten erlauben zudem schnelle Auswertungen in Echtzeit nach Zolltarifen, Ursprungsund Lieferantendestinationen, Zoll- und MWST-Abgaben, Spediteur usw. sowie eine höhere Transparenz der Verzollungsprozesse und -kosten.

Die eVV löst also nicht nur tonnenweise Papier ab, sondern bietet vielmehr die Chance, die Digitalisierung von Geschäftsprozessen intern und mit Behörden voranzutreiben. Dabei ist neben der EZV auch die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV) Nutzniesser, welche die korrekte Abwicklung der MWST im Zusammenhang mit Importen und Exporten prüft und allenfalls sanktioniert.

Industrie 4.0
Die neuen Verfahren und Systeme ermöglichen es Industrie und Handel, die Zusammenarbeit mit Verzollungsdienstleistern wie Spediteuren, Zollagenturen, Expressdienstleistern usw. zu verbessern und transparenter zu gestalten Gerade im stark operationell und teilweise von Hektik getriebenen Speditionsgeschäft bieten System-, Daten- und Prozessintegration noch wesentliches Potenzial für Effizienzsteigerungen.
Für die Behörden steht die Optimierung der Zusammenarbeit zwischen Verladern und Verzollungsdienstleistern naturgemäss nicht im Vordergrund.

Bei genauer Betrachtung der gegenseitigen Abhängigkeiten aller Akteure in der Supply Chain in diesem oft zeitkritischen Geschäft zeigen sich noch zahlreiche Möglichkeiten für Prozessoptimierungen durch einen nahtlosen Datenaustausch. Industrie 4.0, EGovernment, E-Commerce und Cloud sind nicht nur Schlagworte, die für sich alleine stehen. Es ist vor allem die firmenübergreifende Digitalisierung, die mehr Transparenz, eine höhere Compliance und Effizienzsteigerungen bringt. Der digitale Datenaustausch mit dem Zoll bietet deshalb eine gute Chance, die Zukunft kosteneffizienter zu gestalten.

Autor: Roland Schumacher; CEO SISA
Quelle: GS1 network Ausgabe Nr. 4 / 16. Dezember 2016